Mehr Wohnraum für die Biodiversität

Als in der Schweiz wohnhafte Person beanspruchten Sie im Jahr 2020 durchschnittlich 46 m2 Wohnfläche. Darüber hinaus nutzten Sie zahlreiche andere Flächen wie Verkehrswege, Freizeiteinrichtungen, Büroräumlichkeiten usw. Doch wie viel Fläche bräuchten Sie selbst effektiv zum Leben, beziehungsweise zum Überleben?

Wie viel Raum zum Leben nötig ist, stellt sich nicht nur beim Menschen, sondern auch bei unseren anderen Tier- und Pflanzenarten. Die Zahlen belegen: die meisten Arten in der Schweiz haben aktuell weniger Platz zur Verfügung, als sie zum Überleben bräuchten. Dies zeigt sich immer wieder in verschiedenen Statistiken. So ist die Schweiz Europas Land mit dem geringsten Anteil an Schutzgebieten. Und von allen Industrienationen hat sie den höchsten Anteil bedrohter Arten (z.B. rund 80% der Amphibien und Reptilien, 65% der Fische, 58% der Fledermäuse und 40% der Vögel).

Auch wenn bereits zahlreiche Versuche unternommen wurden, das Artensterben zu stoppen oder gar umzukehren: Ausser in Ausnahmefällen konnte der Niedergang unserer Arten lediglich verlangsamt werden. Zu klein waren jeweils die ausgeschiedenen Flächen, zu ungünstig ihre Lage.

Es ist ein äusserst komplexes Vorhaben, den Ansprüchen aller 56'000 bekannten Tier- und Pflanzenarten der Schweiz gerecht zu werden. Den benötigten Flächenbedarf hierfür zu ermitteln, an diese Aufgabe hat sich Infospecies, die Dachorganisation der Schweizer Artenzentren, herangewagt. Mit einer wissenschaftlichen Arbeit wollte sie folgende Fragen klären: (1) Wie viel Fläche brauchen wir, um die Vielfalt der einheimischen Arten und Lebensräume der Schweiz langfristig zu erhalten, (2) wie viel von diesem Flächenbedarf ist aktuell noch gedeckt und (3) wie viel muss wiederhergestellt oder neu geschaffen werden?

Das Ergebnis dieser Studie wurde kürzlich publiziert: In der Schweiz muss auf mindestens 30 % der Fläche der Biodiversität Vorrang gegenüber der menschlichen Nutzung eingeräumt werden, wenn wir nicht noch mehr Arten verlieren und die Biodiversitäts- und Klimakrise noch weiter verschärfen wollen. Im Vergleich zur heutigen Situation bedeutet dies, dass mindestens 6'500 km2 oder 15% zusätzlich für die Biodiversität zur Verfügung gestellt werden müssen.

Während viele Wald- und Gebirgslebensräume in der Schweiz noch in ausreichender Qualität und Quantität vorkommen, sind es insbesondere Offenland- und Gewässerlebensräume, die deutlich mehr Platz brauchen als wir ihnen heute zugestehen. Beide stellen äusserst wichtige Insektenlebensräume dar, weshalb von ihrer Zunahme auch unsere Fledermäuse stark profitieren würden.

Zusammen mit Infospecies und anderen Partnern setzt sich die Stiftung Fledermausschutz deshalb dafür ein, dass Wiesen extensiviert und Gewässer renaturiert werden.

Link zur Originalpublikation: https://www.infospecies.ch/de/assets/content/documents/infospecies-2023-flaechenbedarf-artenvielfalt-schweiz.pdf