Biologie

Bechsteinfledermaus im Flug
Foto: Manuel Ruedi, Muséum Genève

Es gibt kaum eine andere Wildtiergruppe, deren Biologie ähnlich aussergewöhnlich und spannend ist. Wir haben die speziellsten Eigenschaften unserer Fledermäuse für Sie zusammengefasst.

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Teil der grössten Fledermauskolonie der Schweiz in der Kirche Fläsch
Foto: Stiftung Fledermausschutz
Den Langstreckenrekord mit über 1'900 km hält eine Rauhautfledermaus.
Foto: Stiftung Fledermausschutz
Mückenfledermaus: Kleinste einheimische Fledermausart
Foto: Stiftung Fledermausschutz
Mexikanische Bulldoggfledermaus: schnellste Fledermausart
Foto: U.S. Fish and Wildlife Service
  • Die grösste Fledermauskolonie der Welt zählt 20 Millionen Bulldoggfledermäuse. Sie befindet sich in Texas, USA.
  • Die grösste Fledermauskolonie der Schweiz zählt über 1’000 Tiere und befindet sich in Fläsch im Kanton Graubünden.
  • Die grösste Fledertierart ist der südostasiatische Kalong mit einer Kopf-Rumpf-Länge von bis zu 40 cm und einer Spannweite von bis zu 1.7 m bei einem Gewicht von rund 1 kg.
  • Die grösste einheimische Fledermausart ist der seltene Riesenabendsegler mit einer Kopf-Rumpf-Länge von bis zu 10 cm und einer Spannweite von 45 cm. Er wiegt bis über 50 g.
  • Die kleinste Fledermausart der Welt und eines der kleinsten Säugetiere überhaupt ist die Hummelfledermaus mit einer Kopf-Rumpf-Länge von rund 3 cm und einer Flügelspannweite von bis zu 15 cm. Sie wiegt nur knapp 2 g.
  • Die kleinste einheimische Fledermaus ist die Mückenfledermaus mit einer Kopf-Rumpf-Länge von knapp über 4 cm und einer Flügelspannweite von bis zu 24 cm. Sie wiegt rund 3-6 g.
  • Die schnellste Fledermausart ist die Mexikanische Bulldoggfledermaus, welche im Horizontalflug Geschwindigkeiten von bis zu 160 km/h erreicht. 
  • Den Altersrekord hält eine Brandtfledermaus aus Sibirien, welche mindestens 41 Jahre alt wurde.
  • Den Langstreckenrekord zwischen Sommer- und Winterquartier hält ein Riesenabendsegler mit über 3'350 km.
  • Rund 10 Millionen Palmenflughunde ziehen jedes Jahr im Winter in den Kasanka-Nationalpark im Norden Sambias. Es ist die grösste Wanderung aller Säugetiere.
Vielfalt der Säugetierarten der Schweiz, aufgeteilt nach Ordnungen
Foto: Stiftung Fledermausschutz
Körperbau der Fledermäuse
Foto: Stiftung Fledermausschutz
Fledermäuse sind Säugetiere wie wir Menschen.
Foto: Stiftung Fledermausschutz

Fledermäuse sind Säugetiere wie wir Menschen.
Sie besitzen beispielsweise Haare und Milchdrüsen. Am nächsten sind Fledermäuse mit Walen, Raub- und Huftieren verwandt.

Seit mehr als 50 Millionen Jahren bevölkern Fledermäuse die Erde.
Man zählt weltweit mehr als 1’500 verschiedene Fledertierarten.

Die Vorderextremitäten der Fledermäuse sind zu Flügeln umgestaltet. Sie sind die einzigen Säugetiere, die aktiv fliegen können.

Fledermäuse sind zur Echoorientierung befähigt.

In der Schweiz sind 30 verschiedene Arten bekannt.
Sie stellen hierzulande die grösste Säugetiergruppe.

 

 

Anhand der Echos ihrer Rufe können sich Fledermäuse orientieren und Beute orten.
Foto: Dietmar Nill (verändert)
Durch den Mund oder seltener durch die Nase stossen Fledermäuse Ultraschallrufe aus.
Foto: Manuel Ruedi, Muséum Genève
Spektrogramme: Verschiedene Fledermausarten erzeugen oft ganz unterschiedliche Rufe.
Foto: Stiftung Fledermausschutz
Um die Erforschung der Fledermaus-Bioakustik voranzubringen, engagiert sich die Stiftung Fledermausschutz in der Swiss Bat Bioacoustics Group SBBG.
Foto: Stiftung Fledermausschutz

Fledermäuse können Rufe erzeugen, die im Ultraschallbereich liegen und deshalb für uns Menschen unhörbar sind.

Am Echo dieser Ultraschallrufe erkennen Fledermäuse die Entfernung zu Objekten, deren Grösse, Form und Oberflächenbeschaffenheit. Fledermäuse erzeugen ein "Hörbild" ihrer Umgebung, das unserem optischen Abbild vermutlich sehr nahe kommt.

Mithilfe der Echos ihrer Ultraschallrufe können Fledermäuse auch ihre Beutetiere lokalisieren und fangen.

Soziallaute sind hingegen für uns Menschen oft hörbar und werden als hohes Zwitschern wahrgenommen.

Um die Erforschung und den Einsatz der Bioakustik voranzubringen, engagiert sich die Stiftung Fledermausschutz in der Swiss Bat Bioacoustics Group SBBG.

 

Einheimische Fledermausarten ernähren sich fast ausschliesslich von Gliederfüssern, z.B. Schnaken...
Foto: bella67 (pixabay.com), CC0
... oder Zuckmücken.
Foto: Kathy2408 (pixabay.com), CC0
Im Kot findet man die unverdaulichen Panzerteile,
Foto: Stiftung Fledermausschutz
...anhand deren sich die Beutetiere bestimmen lassen.
Foto: Stiftung Fledermausschutz

Einheimische Fledermausarten ernähren sich fast ausschliesslich Gliederfüsser, z.B. Schnaken, Mücken, Käfer oder Falter.

Pro Nacht verzehren sie bis zur Hälfte des eigenen Körpergewichtes an Beutetieren.
Im Kot findet man unverdauliche Panzerteileanhand denen sich die Beutetiere bestimmen lassen.

Abhängig von ihrer Jagdstrategie fressen viele Arten die jeweils häufigsten Insektenarten. Dadurch helfen sie mit, Massenauftreten von Schadinsekten zu beschränken.

Diese Ökosystemdienstleistungen werden in der Schweiz auf mehrere hundert Millionen Franken pro Jahr geschätzt.

 

Einige Fledermausarten hängen tagsüber frei im Gebälk von Dachstöcken...
Foto: Stiftung Fledermausschutz
...während sich andere in enge Spalten an der Fassade zurückziehen.
Foto: Stiftung Fledermausschutz
Mögliche Fledermausquartiere an einem Haus
Foto: Stiftung Fledermausschutz
Wieder andere Arten nutzen Baumhöhlen...
Foto: Stiftung Fledermausschutz
... oder Fledermauskästen.
Foto: Marius & Franziska Heeb

Fledermäuse nutzen tagsüber oft unsere Gebäude um sich zu verstecken.
Sie mögen es warm, trocken und zugluftfrei.

Um sich sicher zu fühlen, verkriechen sie sich in enge Ritzen und Spalten. Sie nagen keine Löcher.

Bei der geringsten Störung beginnen sie mit hohen Tönen zu zetern und ziehen sich noch tiefer ins sichere Versteck zurück.

Einige wenige Arten hängen frei im Dachstock, aber oft nur in grösseren Gebäuden.

 

Menschen stellen die grösste Bedrohung für Fledermäuse dar. Viele Arten wurden durch unser Handeln massiv dezimiert.
Foto: Ganossi (pixabay.com), CC0
Die hohe Katzendichte kann dabei den Fledermäusen lokal stark zusetzen.
Foto: wilkernet (pixabay.com), CC0
Steinmarder können in Dachstöcke eindringen und Fledermäuse stören, vertreiben oder töten.
Foto: Stanislaw Szydlo, CC BY-SA 3.0
Schleiereulen gehören zu den natürlichen Feinden von Fledermäusen.
Foto: Jean van der Meulen, CC0

Menschliche Aktivitäten haben die Bestände der Fledermäuse seit der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts stark dezimiert.

Dazu zählen Lebensraumverluste durch Ausräumung der Landschaft, Lichtverschmutzung und unbegleitete Sanierungen von Gebäuden mit Fledermausquartieren. Stark negative Auswirkungen hat der Einsatz von Umweltgiften.

Unter den tierischen Feinden können Hauskatzen die Fledermausbestände lokal stark dezimieren. Dies beispielsweise, wenn Katzen Zugriff auf die Ausflugsöffnung eines Fledermausquartiers haben oder systematisch knapp über Wiesen jagenden Fledermäusen auflauern.

Steinmarder können in Dachstöcke eindringen und ganze Kolonien vertreiben. Um dies zu verhindern, sind bei Veränderungen an Gebäuden mit Fledermäusen im Dachstock unbedingt unsere Partner in Ihrer Region beizuziehen.

In der Dämmerung und nachts können auch Falken und Eulen Fledermäuse erbeuten. Sie zählen zu den natürlichen Feinden von Fledermäusen und haben meist nur wenig Einfluss auf die Fledermauspopulationen. 

Im Sommerhalbjahr schliessen sich Fledermausweibchen für die Jungenaufzucht oft zu grossen Gruppen zusammen.
Foto: Stiftung Fledermausschutz
Im Juni bringen Fledermäuse ihre Jungen zur Welt.
Foto: Stiftung Fledermausschutz
Weil in Nordeuropa im Sommer das Futterangebot gross, die Winter aber hart sind, unternehmen manche Fledermausarten jedes Jahr lange Wanderungen.
Foto: petraboekhoff (pixabay.com), CC0
Der Winterschlaf wird oft in Höhlen gehalten
Foto: Manuel Ruedi, Muséum Genève
Jahreszyklus beim Männchen (innen) und Weibchen (aussen)
Foto: Stiftung Fledermausschutz

Weibliche und männliche Fledermäuse haben einen unterschiedlichen Jahreszyklus.

Die Männchen der meisten Arten sind Einzelgänger. Die Weibchen hingegen bilden im Sommer Kolonien, in denen sie ihre Jungen austragen, gebären und aufziehen.

Die Jungtiere sind bereits nach wenigen Wochen flügge. Im Spätsommer lösen sich die Kolonien wieder auf.

Ab Mitte August beginnen Balz und Paarung.

Einheimische Fledermäuse halten einen Winterschlaf. Dieser findet oft in Fels- oder Baumhöhlen und Stollen, manchmal auch in Häusern statt.

Wimperfledermaus im Winterschlaf
Foto: Stiftung Fledermausschutz
Herzschlagfrequenzen einer Fledermaus in Abhängigkeit ihrer Aktivität
Foto: Stiftung Fledermausschutz
Für den Winterschlaf nutzen viele Arten feuchte und kühle aber frostsichere Verstecke.
Foto: Stiftung Fledermausschutz
Kleine Hufeisennase an einer Höhlendecke
Foto: Manuel Ruedi, Muséum Genève

Einheimische Fledermäuse halten einen Winterschlaf, da im Winter kaum Nahrung verfügbar ist.

Fledermäuse fressen sich dazu im Sommerhalbjahr Fettreserven an, von denen sie im Winterschlaf zehren.

Die Körpertemperatur von Fledermäusen im Winterschlaf entspricht weitgehend der Umgebungstemperatur. Eine winterschlafende Fledermaus ist also kalt.

Die Herzschlagfrequenz sinkt von bis über 1’000 Schlägen pro Minute im Flug auf bis zu unter einem Dutzend im Winterschlaf.

Die Atemfrequenz kann auf nur noch zwei Atemzüge pro Stunde absinken.

Anders als Mäuse...
Foto: Kapa65 (pixabay.com), CC0
...bringen Fledermausweibchen pro Jahr meist nur ein Junges zu Welt. Dieses ernährt sich ausschliesslich von Muttermilch.
Foto: Stiftung Fledermausschutz
Die Jungtiere werden nachts zurückgelassen, wenn die Mütter zur Jagd ausfliegen.
Foto: Pius Inglin

Fledermausweibchen schliessen sich im Sommerhalbjahr zu Gruppen, sogenannte Wochenstubenkolonien, zusammen. Diese dienen in erster Linie der Jungenaufzucht. Fledermausweibchen bringen pro Jahr nur ein einziges Jungtier zur Welt, selten sind es Zwillinge.

Diese äusserst geringe Fortpflanzungsrate wird mit einer hohen Alterserwartung von bis über 40 Jahren kompensiert.

Das Jungtier ist bei der Geburt nackt, blind und flugunfähig. Die Füsse sind hingegen voll entwickelt. Ein Junges wiegt bis zu einem Drittel des Gewichtes der Mutter.

Jungtiere werden mit Muttermilch gesäugt.
Bereits nach 4 bis 8 Wochen sind sie flügge und so gross wie ihre Mutter.

Abendsegler ziehen bis zu mehr als 1'500 km.
Foto: Stiftung Fledermausschutz
Mittels Ringfunden nachgewiesene Flugdistanzen von Grossem und Kleinem Abendsegler
Foto: Stiftung Fledermausschutz
Die kleine Rauhautfledermaus kann Distanzen bis über 1'000 km zurücklegen.
Foto: Stiftung Fledermausschutz

Unter den einheimischen Fledermausarten migrieren einige ähnlich wie Zugvögel.
Grosse und Kleine Abendsegler sowie Rauhautfledermäuse gehören zu dieser Gruppe.

Die Weibchen fliegen im Frühjahr in Richtung Nordosteuropa, wo sie ihre Jungen zur Welt bringen und aufziehen. Sie legen dabei Strecken von bis über 1’000 km zurück. Den Rekord hält eine Rauhautfledermaus mit über 1'900 km.

Bei den Abendseglern bleiben die Männchen mehrheitlich in der Schweiz und besetzen im Herbst Balzquartiere, von welchen aus sie die zurückkehrenden Weibchen anlocken.