Winterliches Intermezzo bei Fledermäusen

Zwischen Weihnachten 2021 und Neujahr wurden uns von mehreren Orten fliegende Fledermäuse gemeldet. Normalerweise halten unsere heimlichen Flatterer in der kalten Jahreszeit tiefen Winterschlaf, weil es kaum Nahrung gibt. Die sehr hohen Temperaturen mit Rekordwerten im zweistelligen Bereich leiten bei winterschlafenden Fledermäusen jedoch den Aufwachvorgang ein. 


Betroffen sind Fledermausarten, welche direkt den Aussentemperaturen ausgesetzt sind. Dazu gehören zum Beispiel Rauhautfledermäuse (Pipistrellus nathusii), welche oft in Scheiterbeigen überwintern, oder Grosse Abendsegler (Nyctalus noctula), welche Baumhöhlen oder Storenkästen nutzen. Andere Arten wie die Kleine Hufeisennase (Rhinolophus hipposideros) oder das Grosse Mausohr (Myotis myotis) überwintern hingegen tief in Felshöhlen. Ändert draussen die Temperatur bekommen sie es in der Regel gar nicht mit.


Strategie mit Gelegenheiten und Risiken


Doch warum setzen sich einige Fledermausarten diesen winterlichen Temperaturveränderungen überhaupt aus? Im Winterschlaf ist die die Körpertemperatur einer Fledermaus gleich hoch wie die Umgebungstemperatur. Die Höhe der Körpertemperatur beeinflusst dabei direkt den Energieverbrauch im Schlaf. So spart eine winterschlafende Fledermaus bei 1°C massiv mehr Energie als bei 8°C. Liegen die Temperaturen nahe bei 0°C, wird also am wenigsten Energie verbraucht, der Winterschlaf ist am energieeffizientesten. Im Innern von Felshöhlen ist der Energieverbrauch jedoch konstant, weil die Temperatur über den ganzen Winter hinweg konstant ist – oft liegt sie zwischen 5 und 8°C. 


Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt profitieren also Arten, welche nahe an der Oberfläche überwintern, bei hohen Aussentemperaturen hingegen Arten, die im Höhleninnern überwintern. Ist es so warm, dass die Fledermäuse aufwachen wechseln sie entweder in ein kühleres Versteck oder aber sie nutzen die Gelegenheit, die Fettreserven zu erneuern, indem sie auf die Jagd ausfliegen. Tatsächlich fliegen selbst im Winter bei Temperaturen im zweistelligen Bereich Insekten, welche als Nahrungsquelle dienen.


Fallen die Temperaturen deutlich unter den Gefrierpunkt, wird ebenfalls der Aufwachvorgang eingeleitet. Betroffene Fledermäuse müssen sich ein wärmeres Winterschlafquartier suchen. Abendsegler haben aber noch ein zusätzliches Ass im Ärmel: Sie überwintern oft in Gesellschaft mit ArtgenossInnen. Bei Temperaturen unter Null wachen einige von ihnen auf und «heizen» die schlafenden KollegInnen gerade so weit, dass diese weiterschlafen können.


Das Winterquartier kann darüber hinaus aber auch individuell gewählt werden, je nach Stand der eigenen Fettreserven. So überwintern unter den Felshöhlenbenutzern Tiere derselben Art mit wenig Fettreserven im vorderen Höhlenbereich, wo sie bei tiefen Temperaturen von einem energieeffizienteren Winterschlaf profitieren und bei hohen Temperaturen auf die Jagd ausfliegen können. Sie riskieren jedoch bei Temperaturen unter 0°C aufzuwachen, was viel Energie braucht. Kugelrunde Tiere hingegen bevorzugen das Höhleninnere mit konstanteren aber höheren Temperaturen.