Rückgang der Fledermaus-Biodiversität führt zu Ernteausfällen, grösserem Pestizideinsatz und enormen Kosten

Das White Nose Syndrome WNS

Im Jahr 2006 wurde in einer Höhle im Nordosten der USA ein erstes Massensterben von Fledermäusen während der Winterschlafzeit entdeckt. Wie man später herausfand, verursachte ein Kälte liebender Pilz mit der wissenschaftlichen Bezeichnung Pseudogymnoascus destructans die Tragödie. Infiziert der Pilz winterschlafende Fledermäuse, wachen diese auf und verhungern schlussendlich, weil es im Winter draussen kaum Nahrung gibt. Auffallend bei einer Infektion ist die oft weiss gefärbte, namensgebende Nasenregion. Der Pilz stammt aus Eurasien, wo er bereits seit längerem weit verbreitet ist. In Europa richtet er unter den einheimischen Fledermäusen kaum Schaden an, weil deren Immunsystem mit ihm zurechtkommt. Vermutlich brachten ihn Höhlentourist*innen in die USA. Seither befällt der Pilz nach und nach Höhle um Höhle - über die Hälfte der USA-Staaten ist mittlerweile betroffen. Und Abermillionen von Fledermäusen sind dem Pilz seither zum Opfer gefallen.  

Weniger Fledermäuse, mehr Schadinsekten, mehr Insektizide…

Der Verlust an Fledermäusen hat ganz konkrete Folgen für uns Menschen: Die Schadinsekten, welche normalerweise von den Fledermäusen gefressen werden, nahmen auf den Anbaufeldern zu. Es kommt zu kostspieligen Ernteausfällen. Infolgedessen versuchten die betroffenen Bauern die fehlenden Fledermäuse durch einen um rund 30% höheren Pestizideinsatz zu kompensieren. In Staaten ohne WNS bzw. mit weiterhin stabilen Fledermausbeständen blieb der Einsatz von Insektiziden jedoch konstant, was einen direkten Kausalzusammenhang erhärtet.

…horrende Kosten

Die Folgekosten von Biodiversitätsverlusten für unsere Umwelt und uns Menschen sind schwierig zu beziffern, da sie meist auf Hochrechnungen beruhen. In diesem Fall sind sie allerdings gesichert – und sie sind enorm: So haben die Autoren die Ernteverluste des Jahres 2017 infolge der fehlenden Fledermäuse in den betroffenen Staaten allein auf knapp 27 Milliarden Dollar angegeben - bei einer landwirtschaftlichen Gesamtproduktion der USA im Wert von 190 Milliarden Dollar ist das ein massgeblicher Anteil.

…und eine höhere Säuglingssterblichkeit?

Ein paar Jahre nach den ersten, erhöhten Insektizideinsätzen haben die Forschenden eine erhöhte Säuglingssterblichkeit beim Menschen festgestellt. Gut 1’300 Säuglinge starben in den Staaten mit höheren Pestizideinsatz mehr (rund 8%) als in den Staaten ohne erhöhten Pestizideinsatz. Auch in anderen Ländern wird mittlerweile ein direkter Zusammenhang zwischen Pestizideinsätzen und Säuglingssterblichkeit postuliert. Ein Kausalzusammenhang scheint deshalb plausibel, jedoch sollte er durch weitere Untersuchungen erhärtet werden, da eine erhöhte Säuglingssterblichkeit viele Ursachen haben kann.

Sparen dank dem Erhalt der Biodiversität

Unabhängig davon, ob der erhöhte Insektizideinsatz tatsächlich eine erhöhte Säuglingssterblichkeit verursacht, konnten die Forschenden klar aufzeigen, dass sich der Erhalt der Fledermaus-Biodiversität auch für unser Portemonnaie lohnt. Eine intakte Biodiversität bildet unsere Lebensgrundlage und ist deutlich günstiger als der Einsatz von Insektiziden mit ihren enormen Kosten für Mensch und Umwelt. Die Stiftung Fledermausschutz setzt sich deshalb für ihren Erhalt ein.

 

Link zum Originalartikel: https://www.science.org/doi/10.1126/science.adg0344

 

 

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