Es gehört zu unseren grössten einheimischen Fledermausarten, ist ein typischer Untermieter in Kirchendachstöcken und als Bodenjäger auf Laufkäfer spezialisiert: Das Grosse Mausohr (Myotis myotis), das von BatLife Europe zur Fledermaus der Jahre 2024 -2025 gewählt wurde. Wir nehmen dies zum Anlass, in den nächsten Monaten diese einheimische Fledermausart näher vorzustellen. Als Auftakt zu dieser Serie möchten wir Ihnen einen ersten Überblick geben.
Das Grosse Mausohr ist auf besondere Weise mit dem Menschen verbunden – die Weibchen wählen Kirchen oder andere grosse, ruhige Dachstöcke für ihre Wochenstuben aus. Dort bilden sie im Sommerhalbjahr Kolonien von Dutzenden oder gar Hunderten Tieren, um ihre Jungen auszutragen, zu gebären und grosszuziehen. Meist ist es nur ein einziges Jungtier pro Weibchen und Jahr. So zum Beispiel in Fläsch (GR), wo der Kirchturm mit über 1'000 Tieren die grösste Mausohrwochenstube der Schweiz beherbergt. Häufig nutzen die Tiere ein Leben lang dasselbe Wochenstubenquartier. Während die Weibchen in Gruppen kopfüber an Dachbalken und Dachlatten hängen, verbringen die Männchen den Tag meist einzeln, in Balkenkehlen oder zwischen Ziegeln verkrochen.
Für die Nahrungssuche bevorzugen Grosse Mausohren naturnahe Laub- oder Laubmischwälder mit wenig Bodenvegetation. Sie ernähren sich von bodenlebenden Insekten, wobei Laufkäfer zu ihrer Lieblingsbeute zählen. Um diese zu fangen, fliegen Grosse Mausohren in geringer Höhe über dem Waldboden und nutzen ihren Gehörsinn, um die Beute, welche sich durch ihre Krabbelgeräusche bemerkbar macht, ausfindig zu machen. Im Nahbereich hilft ihnen vermutlich auch ihr Geruchssinn. Die Jagdgebiete liegen meist in einem Umkreis von 5-15 km vom Tagesschlafversteck entfernt. Doch können Mausohren in einer Nacht auch bis zu 25 km weit fliegen, um geeignete Wälder für die Jagd aufzusuchen. Für die Transitflüge vom Versteck ins Jagdgebiet ist diese strukturgebunden Art, insbesondere in Gebieten mit hoher Lichtverschmutzung, auf intakte Flugkorridore angewiesen: lineare Landschaftsstrukturen wie Waldränder, Hecken oder Baumreihen, die nachts dunkel sind.
Bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren Mausohren im Schweizerischen Mittelland in vielen Kirchendachstöcken zu finden. Ab den 1960-er Jahren kam es zu einer drastischen Veränderung: Durch Quartierzerstörungen, Verlust von Jagdlebensräumen und Pestizideinsätze kam es zu einem dramatischen Rückgang im Bestand der Mausohren. Heute kennen wir in der Schweiz noch etwa 100 Dachstöcke, in denen Grosse Mausohren ihre Jungtiere aufziehen.
Das Grosse Mausohr als Kulturfolger, das in unseren Breiten auf menschliche Bauten angewiesen ist, zeigt, wie sehr wir Menschen für das Überleben dieser besonderen Fledermausart verantwortlich ist und wie wichtig ein Netzwerk aus Kultur- und Naturlandschaften ist.
Übrigens, wer die Grossen Mausohren live erleben möchte, hat anlässlich unserer Fledermaus-Public Viewings in Steinen SZ und Balsthal SO Gelegenheit dazu!