Der Frühling ist da, und mit ihm beginnt die Reise der Rauhautfledermäuse zurück in den Nordosten, wo sie sich bald in ihren Wochenstuben versammeln, um dort im Sommer ihre Jungen aufzuziehen. Auch in unserer Notpflegestation haben über 30 Rauhautfledermäuse den Winter verbracht und sind vor zwei Wochen in die Natur entlassen worden. Doch ihre Reise ist gefährlich: Neben vielen anderen Bedrohungen wie der Ausräumung der Landschaft, dem Verlust von Unterschlüpfen oder dem Rückgang des Nahrungsangebotes, stellt auch der Ausbau der Windenergie eine ernsthafte Gefahr für migrierende Fledermäuse dar, da die Tiere mit Windkraftanlagen kollidieren können oder sich aufgrund der Druckunterschiede in der Nähe der Anlagen schwere Verletzungen zuziehen können.
Schon lange ist bekannt, dass das Mortalitätsrisiko für migrierende Fledermäuse durch den Ausbau der Windenergie beträchtlich steigt, aber es fehlen oft Daten über ihr Wanderverhalten und ihre Populationsdynamik. In einer kürzlich veröffentlichten Studie wurde ein neues Mikrosatelliten-Panel - das ist eine Sammlung von speziellen Markern, die Wissenschaftler*innen verwenden, um das Erbgut von Tieren oder Pflanzen zu untersuchen - für die Rauhautfledermaus entwickelt, um mehr über ihr Wanderverhalten und die genetische Vielfalt der Population zu erfahren. Damit wurden über 400 Proben von Rauhautfledermäusen analysiert, die während der Migration in vier aufeinanderfolgenden Jahren an Zwischenstopps entlang der niederländischen Küste gesammelt wurden. Anhand der gewonnen Daten konnte die Population auf ihre aktuelle genetische Vielfalt untersucht werden und zudem der Frage auf den Grund gegangen werden, ob Fledermausmütter mit ihren Jungtieren ziehen oder sie sich alleine auf den langen Weg machen.
Die Ergebnisse zeigen einen Rückgang der genetischen Vielfalt über die Zeit, was auf einen allgemeinen Populationsrückgang hindeutet. Trotz Anwesenheit erwachsener und junger Rauhautfledermäuse in 30 Fledermauskästen wurde kein Mutter-Jungtier-Paar im Datensatz gefunden, was darauf hinweist, dass die Nachkommen nicht gemeinsam mit ihren Müttern migrieren. Die alternative Vermutung, dass junge Fledermäuse vielmehr mit einem genetisch vordefinierten «Kompass» geboren werden und das Erdmagnetfeld zur Navigation nutzen, wird mit dieser Studie weiter unterstützt. So vermutet man zudem, dass sie sich an Artgenossen orientieren - auch wenn diese nicht verwandt mit ihnen sind.
Diese Forschung liefert neben spannenden Einblicken in das Wanderverhalten wichtige Erkenntnisse über die genetische Gesundheit der Rauhautfledermaus und ist ein entscheidender Schritt für den Einsatz genetischer Methoden im Monitoring migrierender Arten. Angesichts des Ausbaus der Windenergie sind diese Daten unverzichtbar, um langfristige Schutzmassnahmen zu entwickeln und den Fortbestand dieser faszinierenden Tiere zu gewährleisten.
Hier gehts zur Originalstudie.